Barrierefreies Reisen in die Anderswelt II

Nach einem Nachmittagsschläfchen fühlte sich mein Körper immer noch relativ schmerzfrei an, mein Kopf wuselte immer noch ein wenig wattig umeinander und ich suchte nach neuen Spielmöglichkeiten. Während ich noch so vor mich hin überlegte, begann meine Umgebung sich zu verändern – vor meinen Augen flimmerte es, als sähe ich durch einen heißen, feurigen Vorhang oder durch Wasser (Aquarium?). Das war kein angenehmes Gefühl und verursachte eine Art Schwindel und Übelkeit, sodass ich mich aufsetzen musste und die Augen schloss. Wie schon zuvor, verflog das flaue Gefühl nach wenigen Minuten und meine Augenlider wurden durchsichtig – ich sah meine Umgebung klar und deutlich.

Da saß ich nun auf dem Sofa, hatte die Augen geschlossen und guckte mich in meinem Wohnzimmer um. Was ich sehen konnte, sah fast normal aus – aber eben nur fast. Alles war viel klarer und deutlicher, die Umrisse waren schärfer und die Farben leuchteten. Völlig fasziniert beschloss ich, ein Experiment zu machen. Ich stand auf und ging mit meinem physikalisch-materiellen Körper im Zimmer umher, um festzustellen, ob ich wirklich durch die geschlossenen Augenlider sehen konnte. Ich ging in die Küche (das konnte ich “sehen”), öffnete den Kühlschrank (das konnte ich “sehen”), holte einen Becher Kefir heraus (das konnte ich “sehen”) – und dann versuchte ich zu erkennen, welche Geschmacksrichtung es war. Das klappte aber nicht.

Ich stellte den Becher auf den Kühlschrank und ging (immer noch mit geschlossenen Augen) zurück ins Wohnzimmer. Ich legte mich auf mein Sofa und ging dann mit meinem … tja, wie nenn ich das?… nicht-materiellen Körper in die Küche. Deutlich konnte ich den Kefirbecher auf dem Kühlschrank sehen. Ich wollte ihn in die Hand nehmen, konnte ihn aber nicht anheben. Anfassen konnte ich den Becher jedoch – er fühlte sich kalt und etwas feucht an (also völlig normal). Ich schaute mir das Etikett genau an – Dinge, die ich über die Aufschrift, das Aussehen wusste, konnte ich sehen – aber dort, wo die Frucht abgebildet war, sah ich nur einen verschwommenen Fleck. Ich versuchte zu erkennen, welche Farbe der Fleck hat – aber selbst das war nicht wirklich möglich. Die Farbe schien im Bereich zwischen Rot und Gelb zu sein – aber nun ja, das passt so ziemlich auf die meisten Obstsorten (wobei ein dunkles Rot schon fast aussieht wie Blau, und Gelb auch grünlich wirken kann). Während ich noch über die merkwürdige Farbe nachdachte und dabei wohl nicht mehr auf meine Umgebung achtete, war ich plötzlich zurück im Wohnzimmer auf dem Sofa. Ich beschloss, es noch einmal zu versuchen.

Diesmal schwebte ich zur Küche und konnte wieder alles sehen, was ich kannte oder kennen konnte. Ich berühte den Becher nicht, sondern schaute ihn mir nur von oben an – und sah, dass es Erdbeerkefir war. Ganz deutlich konnte ich die Erdbeeren erkennen. Ich öffnete die Augen, um “richtig” nachzusehen, und fiel ein wenig unsanft auf’s Sofa. Das war überhaupt nicht gut. Ich habe mir zwar nicht weh getan, aber den Fall konnte ich deutlich spüren und den Ruck in der Magengegend auch. Nachdem ich einen Moment brauchte, um den Sturz zu verdauen, atme ich tief durch und ging dann mit offenen Augen und meinem physikalisch-materiellen Körper in die Küche, um mir den Kefirbecher anzusehen. Die Geschmacksrichtung war Mango/Orange….

Wirklich überrascht hat mich das nicht. Ich frage mich allerdings, auf welche Weise dieses Ergebnis zustande gekommen ist. Liegt es daran, dass ich die “logischen” Regeln des Sehens akzeptiere, dass ich mich durch mein Wissen, meine Erwartungshaltung selber einschränke? Ich befürchtete es *g*

Fortsetzung folgt….

Wildgänse rauschen durch die Nacht

Wildgänse rauschen durch die Nacht
mit schrillem Schrei nach Norden;
Unstete Fahrt habt Acht, habt Acht,
die Welt ist voller Morden.
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Obwohl der Mond sich in der letzten Nacht schamhaft hinter Wolken verbarg, hatten wir dennoch ein wunderbares Naturerlebnis. Genau zu Zeitpunkt der totalen Finsternis, die wir mehr erahnten denn sehen konnten, hörten wir die Wildgänse am dunklen Himmel. Wir sind nicht sicher, ob sie vorbeizogen oder sich einen Rastplatz suchten, weil wir sie unmittelbar über, vor und westlich von uns ca. 10 Minuten lang hören konnten. Schön war das!

Barrierefreies Reisen in die Anderswelt I

Bei der Lidocain-Metamizol-Infusion am Mittwoch ist alles gut gegangen – aus medizinischer Sicht. Den kleinen Piekser hab ich kaum, den Rest der Infusion gar nicht gespürt. Einzig das automatische Blutdruckmessen war mehr als unangenehm. Für eine Patientin wie mich, deren ganzer Körper extrem Druckschmerzempfindlich ist, war das die Hölle. Das Teil pumpt die Armmanschette so stark auf, dass mir zeitweise die Tränen kamen – da werde ich nächste Woche fragen, ob das nicht anders geht.

Auf der Heimfahrt wurde mir dann recht schnell klar, warum man mit dem Zeugs nicht Autofahren soll – ja, warum man sogar gar nicht allein unterwegs sein soll. Den Zustand zu beschreiben, ist allerdings nicht einfach – ich fühlte mich irgendwo zwischen leicht schwipsig und schwebend. Für den Nachmittag habe ich deshalb meine Termine abgesagt und die Eindrücke genossen.

Wenn ich das körperliche Empfinden beschreiben soll, dann würde ich es als eine Art von Seekrankheit (Kinetose) bezeichnen. Als Ursache der Reisekrankheit ist gemeinhin anerkannt, dass die über den Gleichgewichtssinn im Innenohr wahrgenommenen Bewegungen bzw. Beschleunigungen (Schaukeln, Stöße, etc.) in Konflikt stehen mit den Eindrücken, die andere Sinnesorgane wie z.B. die Augen vermitteln. Mir war leicht übel und flau in der Magengegend – ein relativ normales Gefühl, was sicher jeder kennt, und doch fühlte es völlig anders an, als sonst. Sobald ich die Augen schloss, war das Gefühl innerhalb von wenigen Minuten verschwunden und es passierten sehr merkwürdige Dinge.

Alle Körperempfindungen änderten sich – wo eben noch ein festes Sofa unter meinem Hintern und Rücken war, spürte ich jetzt eine… Wolke? – ja, doch, das Wort beschreibt es ganz gut – ich fühlte mich, als würde ich auf einer dieser typischen Frischkäse-Werbewolken liegen. Es ist allerdings auch möglich, dass ich einfach ein paar Millimeter über dem Sofa schwebte, und so das körpereigene Gewicht nicht mehr so deutlich zu spüren war.

Was dann folgte kann ich im Moment noch nicht wirklich einordnen (ich weiß auch nicht, ob ich das muss oder will). War es ein spontaner luzider Traum, eine ausserkörperliche Erfahrung oder war es ein Übertritt in eine andere Dimension? Das einzige, was ich ausschließen kann, ist ein normaler Traum. Am Anfang spielte ich mit diesem Zustand nur sehr vorsichtig – ich erhob mich über meinen Körper, flog ein wenig im Zimmer herum, teste die Durchlässigkeit von Wänden und geschlossenen Fenstern und fühlte mich dabei sehr wohl und fast euphorisch.

Als ich, immer mutiger werdend, nach draußen flog, wurde ich vom Wind durchgepustet und leider auch nass vom Regen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich das Wetter beeinflusst habe oder eine Art Schutzschild um mich aufgebaut habe – auf jeden Fall habe ich mir wärmeres und trockeneres Wetter gewünscht und bekommen. Fliegend habe ich dann die nähere Umgebung erkundet und habe mit einigen Vögeln ein Luftballet getanzt. Im Garten habe ich dann bei den Apfelbäumen getestet, ob die Äste mich tragen oder ob sie ähnlich durchlässig sind, wie die Wände. Es war wirklich faszinierend – die Entscheidung wie Materie sich verhält, liegt bei mir. Wenn ich durch den Baum hindurchgleiten wollte, dann ging das ohne Probleme – wenn ich auf winzigen Ästchen landen wollte, brachen diese nicht unter meinem Gewicht, sondern trugen mich sicher. Meine Körpergröße schien sich auch den jeweiligen Gegebenheiten anzupassen, wenn ich überhaupt noch einen Körper hatte.

Fortsetzung folgt….